Betrachtung zum Jahr der Barmherzigkeit

Liebe Mitchristen,

Am 8. Dezember hat Papst Franziskus die Heilige Pforte geöffnet und damit ein Heiliges Jahr ausgerufen. Das Jahr der Barmherzigkeit: 2015 – 2016.

 

Das sind ganz spezielle Jahre! Das Jahr der Barmherzigkeit soll zum Segen werden, auch für euch, junge Leute. In den Sommerferien war ich von innen her gedrängt die leiblichen Werke der Barmherzigkeit zu malen. Ein Bild davon: „Hungrige speisen“,  hat Herr Chanton schon auf eurer Homepage aufgeschaltet. Als ich dann das Rundschreiben von Papst Franziskus las, hab ich entdeckt, dass auch die „Leiblichen und geistlichen Werke der Barmherzigkeit“ Hauptthema für das Jahr der Barmherzigkeit sind. Es hat mich gefreut. Für euch, Jugendliche, möchte ich drum jeden Monat ein Bild dieser leiblichen Werke der Barmherzigkeit weitergeben. Sie sollen Ansporn sein für euch, diese Werke zu tun, nicht nur zu lesen.

Immer im „Hinterkopf“: „Was ihr dem Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan¨“ – Und: „Was ihr dem Geringsten nicht getan habt, habt ihr auch mir nicht getan!“ – sagt Jesus. Ihr Jugendlichen habt das Herz am rechten Fleck, macht euch auf und handelt! „Tut, was ER euch sagt.“

Nackte Bekleiden

Das nächste Bild war „Nackte bekleiden“. Gemalt habe ich halbnackte Kinder, daneben ein Korb mit Kleidern und Hände, die austeilen. Und wieder eine verfallene Mauer daneben.
Ich war grad kurz vorher, im Juni 2015 in Rumänien. Und die Armut dort ist auch gross.  Wir haben einen VW-Bus mit Bananenschachteln gefüllt mit Kleidern aus  dem Wallis,  dann sind  wir sind in den Norden, durch die Wälder gefahren und haben in einem armen Dorf Kleider verteilt. Für die Menschen war das wie Weihnachten.


Ich möchte jetzt vor allem  den jungen Menschen  einen Vorschlag  von Papst Franziskus  weitergeben.  Er schreibt: Euch jungen Freunden, die ihr sehr konkret seid, möchte ich gerne für die ersten sieben Monate des Jahres 2016 , vor dem Weltjugendtreffen in Krakau,  vorschlagen: ein leibliches und ein geistiges Werk der Barmherzigkeit auszuwählen, das jeden Monat in die Tat umgesetzt wird. Lasst euch vom Gebet der heiligen Faustyna inspirieren, die eine demütige Apostelin der göttlichen Barmherzigkeit unserer Zeit ist:


Alle Zuhörer und Zuhörerinnen können in Gedanken mit beten:

“Hilf mir, o Herr, 

  • dass meine Augen barmherzig schauen, damit ich niemals nach äusserem Anschein verdächtige und richte, sondern wahrnehme, was schön ist in den Seelen meiner Nächsten, und ihnen zu Hilfe komme
  • dass mein Gehör barmherzig wird, damit ich mich den Bedürfnissen meiner Nächsten zuneige, dass meine Ohren nicht gleichgültig bleiben für Leid und Klage der Nächsten
  • dass meine Zunge barmherzig wird, dass ich niemals über meine Nächsten abfällig rede, sondern für jeden ein Wort des Trostes und der Vergebung habe
  • dass meine Hände barmherzig und voll guter Taten sind
  • dass meine Füsse barmherzig sind, dass sie meinen Nächsten immer zu Hilfe eilen und die eigene Mattheit und Müdigkeit beherrschen
  • dass mein Herz barmherzig ist, auf dass ich alle Leiden der Nächsten empfinde (Tagebuch, Nr. 163).

Es fehlen nur noch wenige Monate bis zu unserem Treffen in Polen. Krakau, die Stadt des heiligen Johannes Paul II. und der heiligen Faustyna Kowalska. Krakau wartet auf uns,  wartet mit offenen Armen und Herzen auf uns. Ich glaube, dass die göttliche Vorsehung uns geführt hat, gerade dort das Jubiläum der Jugend zu feiern, wo diese beiden grossen Apostel der Barmherzigkeit unserer Tage gelebt haben.


"Diesen Funken der Gnade Gottes müssen wir entfachen und dieses Feuer des Erbarmens an die Welt weitergeben. Im Erbarmen Gottes wird die Welt Frieden und der Mensch Glückseligkeit finden!” Das sagt der Papst.


den Durstigen zu Trinken geben

Zuerst malte ich eine Gruppe Kinder mit einem Becher in der Hand. Daneben malte ich ein Ziehbrunnen und eine Hand mit einem Krug Wasser. Der Hintergrund ist eine Mauer und blauer Himmel. Ich war in den vergangenen 5 Jahren dreimal in Indien und dreimal in Südafrika. Wasser gehört zum kostbaren Gut und es ist rar. Nur so vom Wasserhahn trinken darf man gar nicht. Das Wasser muss immer abgekocht werden, oder mit Tabletten präpariert. Erst, wenn man das mal erfahren hat, merkt man, dass es nicht selbstverständlich ist, dass wir Wasser in Fülle haben. In Südafrika hatte es immer so kleine Krebse im Trinkwasser. Ich durfte nicht heikel sein!

 

 

Papst Franziskus wird am 8. Dezember das Jahr der Barmherzigkeit eröffnen. Es passt gut über die Barmherzigkeit nachzudenken.


Was ist der Grund dieser Werke der Barmherzigkeit? Jesus sagt: "Wir sollen barmherzig sein wie unser Vater im Himmel" (Lukas 6,36), das kann aber nicht nur in Gedanken und Gesinnungen bestehen, sondern das muss sich in konkreten  Handlungen und Taten zeigen. Der Apostel Jakobus sagt das sehr direkt: "Zeige mir deinen Glauben ohne die Werke und ich zeige dir meinen Glauben aufgrund der Werke" (Jak 2,18). Und Jakobus begründet das: "Wenn ein Bruder oder eine Schwester ohne Kleidung ist und ohne das tägliche Brot und einer von euch zu ihnen sagt: Geht in Frieden, wärmt und sättigt euch! ihr gebt ihnen aber nicht, was sie zum Leben brauchen - was nützt das?
So ist auch der Glaube für sich allein tot, wenn er nicht Werke vorzuweisen hat" (Jak 2,15-17.  Der Glaube zeigt sich in der Barmherzigkeit. Das Fehlen der Barmherzigkeit zieht unerbittlich Gottes Gericht nach sich. Der Lieblingsjünger Johannes sagt das ebenso klar wie Jakobus: "Wenn jemand Vermögen hat und sein Herz vor dem Bruder verschließt, den er in Not sieht, wie kann die Gottesliebe in ihm bleiben? Meine Kinder, wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit" (1 Joh 3,17 f.). Solche Herzenshärte lässt Gott nicht ungestraft: "Denn das Gericht ist erbarmungslos gegen den, der kein Erbarmen gezeigt hat. Barmherzigkeit aber triumphiert über das Gericht" (Jak 2,13). Das sind alles ernste Worte aus der Hl. Schrift. 

 


Gefangene besuchen

Es war immer meditatives Malen. Ich musste mich mit dem Thema befassen und mich hineinversetzen, sonst gelang es mir nicht. Angefangen habe ich mit vier Fensterrahmen, übereinander. Dann malte ich in jedes Fenster einen Gefangenen, zwei junge Frauen und zwei junge Männer, aber nur den Kopf. Die standen alle am Fenster. Dann malte ich einen Knaben, der in der einen Hand ein Stück Brot hält und in der andern ein rotes Herz – als Symbol. Um die Fenster malte ich Mauerwerk. Die traurigen Gesichter in den Fensterrahmen sind eindrücklich.

Ich habe das Schreiben von Papst Franziskus gelesen und flechte auch seine Gedanken da hinein.
Die Botschaft der göttlichen Barmherzigkeit stellt somit ein sehr konkretes und herausforderndes Lebensprogramm dar, weil es Werke einbezieht. Eines der offensichtlichsten Werke der Barmherzigkeit, aber vielleicht auch eines das am schwierigsten durchzuführen ist, besteht darin, dem zu verzeihen, der mich beleidigt hat, der mir Böses getan hat, eben denen, die wir als unsere Feinde ansehen. “Wie schwer ist es anscheinend, immer und immer wieder zu verzeihen! Und doch ist die Vergebung das Instrument, das in unsere schwachen Hände gelegt wurde, um den Frieden des Herzens zu finden. Groll, Wut, Gewalt und Rache hinter uns zu lassen, ist die notwendige Voraussetzung für ein geglücktes Leben”.  

 

So wie Jesus, der am Kreuz für jene gebetet hat, die ihn gekreuzigt hatten: “Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun”                  (Lk 23,34). Der einzige Weg, um das Böse zu besiegen, ist die Barmherzigkeit. Die Gerechtigkeit ist notwendig, ja sehr, aber sie alleine genügt nicht. Gerechtigkeit und Barmherzigkeit müssen zusammen gehen. Wie möchte ich, dass wir uns alle in einem gemeinsamen, aus der Tiefe unserer Herzen kommenden Gebet vereinten, um zu bitten, dass der Herr Erbarmen mit uns und mit der ganzen Welt habe! So Papst Franziskus.


Nackte bekleiden/Fremde aufnehmen

Das nächste Bild, ist „Fremde aufnehmen“. 

Fremde und Obdachlose aufnehmen, so lautet auch eine  Forderung der sogenannten leiblichen Werke der Barmherzigkeit. Gerade jetzt ist es aktuell, wie nie zuvor.

Ich malte ein paar gleich ärmlich gekleidete Leute  vor einer verschlossenen Türe. Ich war selber fast hilflos, es darzustellen. Ich war sehr betroffen, die vielen Flüchtlinge auf offener See in Schlauchbooten, hoffnungslos überfüllt – und dann Italien, Lampedusa -  all das ging mir durch den Kopf. Und die Italiener, die viele retten und aufnehmen, trotz Überforderung, sie halfen, wo sie konnten. „Ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen“. Hier bewahrheitet sich die Echtheit unseres Jüngerseins Christi, unsere Glaubwürdigkeit als Christen in der heutigen Welt.

 

Die Italiener haben nicht einfach die Augen vor der Not des Nächsten verschlossen. Genau das war es, was Gott wollte. So haben sie Jesus selber gedient.  Am Ende zählen nicht die Worte, am Ende zählen die Taten. Im Guten wie im Schlechten. Im Gericht besteht, wer etwas getan hat. Wer helfende Hände hatte, wer gegeben und geteilt hat. Das wird einmal nach Jesus die entscheidende Frage sein.

 

 

 

Fremde aufnehmen. Wie klingt das heute in Europa? Fremde aufnehmen, Ausländer, Andere.  Damit kriegt man heute kaum Stimmen, ganz im Gegenteil. Eher scheint es darum zu gehen, Fremde loszuwerden, abzustoßen, Grenzen zu ziehen, Menschen auseinander zu reißen. Trennen, Einsperren, Abschieben. Eigentlich sehr traurig. „Was du nicht willst, das man dir tut – das füge auch keinem andern zu". 

 

 

 

 Lassen wir uns von seiner grenzenlosen Barmherzigkeit berühren, damit auch wir durch die Werke, die Worte und das Gebet zu Aposteln der Barmherzigkeit werden in unserer von Egoismus, Hass und so grosser Verzweiflung verwundeten Welt.


Kranke pflegen

Bild: Kranke pflegen
Aus eigener Erfahrung weiss ich, wie wohl es tut, wenn dich jemand besucht, sich um dich kümmert.


Das will ich nie vergessen.


Da habe ich mich ein bisschen in jene Zeit hineinversetzt und malte einen hilflosen Patienten in einem Rollstuhl, liebevoll gestossen von einem Freund. Im Hintergrund ein Tor mit Rosenranken.

 

Der Krankenbesuch gehört seit jeher zu den Werken der Barmherzigkeit. Das verständnisvolle Gespräch kann dem Kranken helfen, Einsamkeit zu überwinden, Trost und Hilfe zu erfahren. Doch vor allem Reden kommt das Hören, das Sich-ein-fühlen-können in die Situation des kranken Menschen. Ja, gerade bei Schwerkranken erleben wir selbst oft eine große Hilflosigkeit und Ratlosigkeit. Es ist wichtig, die vielen bedrängenden Fragen, die der Kranke hat und die wir selbst haben, zuzulassen und nicht mit billigen Vertröstungen zur Seite zu schieben. Die Not mit auszuhalten und die große Last der Fragen mitzutragen, kann ein schwerer, aber hoffnungsvoller Dienst sein, den wir unseren Kranken und Schwerkranken erweisen.


Tote begraben

Bild: Tote begraben
Das letzte Bild, das ich in Angriff nahm, ist „Tote begraben". Wir wurden schon früh mit dem Tod konfrontiert. Wir waren früh Vollwaisen, unsere Eltern sind früh gestorben. Ich war die Älteste von vier Kindern. Gut 14 jährig –die jüngste 4 ½ , dann Barbara 7 jährig und der Bruder 12 ½ .  Aus eigener Erfahrung weiss ich drum, wie hart es ist, wenn jemand aus der Familie stirbt. Ich hatte auch lang Mühe mit dem Tod.


„Der Respekt vor der menschlichen Person und die Würde des Menschen verlangen einen achtsamen und würdevollen Umgang mit den Toten und die Bereitschaft, Trauernde in ihrer Trauer nicht allein zu lassen, sondern sie bei ihrem Abschied von den Verstorbenen und bei der notwendigen Trauerarbeit zu begleiten.“ Wir hatten gute Menschen, die uns betreuten. Verlust und Abschied bleiben niemandem erspart! Dabei ist Trauer eine ganz natürliche Reaktion. Sie dient dazu, einen einschneidenden, das Leben verändernden Verlust zu bewältigen und sich in der innerlich und äußerlich veränderten Wirklichkeit des eigenen Lebens wieder zurechtfinden zu lernen.

Der christliche Glaube sieht im Sterben nicht nur das Ende des irdischen Lebens, sondern auch den Beginn einer neuen Wirklichkeit bei Gott. Die Hoffnung auf die Auferstehung der Toten und die Vollendung der Welt in Jesus Christus kann helfen, an den Erfahrungen von Leid und Trauer nicht zu zerbrechen


Und vergessen wir nicht die geistigen Werke der Barmherzigkeit: Zweifelnden recht raten, Unwissende lehren, Sünder zurechtweisen, Betrübte trösten, Beleidigungen verzeihen, Lästige geduldig ertragen, für Lebende und Verstorbene zu Gott beten.


Vergelt's Gott!